Andacht

Gott und die Welt

Liebe Gemeindeglieder und Freunde unserer Kirche!

Barcelona webEine Kirche in Barcelona ist nicht überfüllt mit Touristen, zu denen auch wir gehörten. Die schönste vielleicht von allen. Die Kathedrale des Meeres, Maria, der Mutter Jesu, geweiht. Eine Bürgerkirche, eine Arbeiterkirche, denn die Lastenträger, die die Waren in die Stadt schleppten, ohne daran zu verdienen, sind die Bewahrer der Kirche und der Madonna mit dem Kind. Am Eingang wurde ihnen ein uraltes Denkmal gesetzt, wenn auch nur ein winziges. Dies blieb, fast alles andere wurde im spanischen Bürgerkrieg zerstört. Nun ist inmitten der Kirche eine Kapelle dem Ignatius von Loyola geweiht, der einst bei Barcelona Rüstung, Schwert und Bogen gegen die Bibel tauschte, seinen Besitz gegen den Bettelstab und hier in der Kirche begann, für die Armen Almosen zu erbitten.

Nun also steht eine Bronzefigur in seiner Kirche. Als großer Schoß ist sie gestaltet. Lädt ein zum Platznehmen. Als ich noch wankte, ob ich mich traue, diese Einladung anzunehmen, saß schon ein kleiner Junge auf dem großen Schoß und machte es sich gemütlich. Wahrscheinlich bin ich auch aus dem Alter raus, noch Zielgruppe für Wissenweitergabe zu sein. Der ich selbst schon Weisheit verbreiten sollte. Und dann muss ich ja auch wieder aufstehen, was dem Jungen sicherlich leichter gelang. Die Idee aber faszinierte mich. Wir dürfen Platz nehmen auf dem Schoß unserer Vorfahren. Es uns gemütlich machen und dem nachspüren, was sie bewegte und umtrieb und was sie uns hinterlassen haben. Das braucht Zeit und Ruhe und Muße und dafür ist ein Schoß ein prächtiges Bild. So, wie ich immer auf dem Schoß meiner Oma stundenlang Märchen vom Rübezahl hören durfte und dazu gekrabbelt wurde. Zur Weihnacht sitzt Jesus, der Neugeborene, auf dem Schoß seiner Mutter Maria. So ist es oft wunderschön gemalt worden, auch weil es früher die männlichen Künstler nicht so recht interessierte, wie lange es wirklich dauert, bis ein Baby sitzen kann. Wohl nicht am dritten Lebenstag. Aber es sieht so gut aus auf Bildern.

Die Idee dahinter und darinnen ist alle Verdrehungen wert: Gott nimmt Platz auf einem Menschen, einer Mutter, um zu lernen und zu erfahren, was Leben ist. Mit allen Tränen des Glücks und des Leides. Gott will wissen, wie es sich anfühlt, die Liebe und das Leid. Damit er hineinkommen kann. Wahrer Mensch ist er geworden. Mit allem Drum und Dran. Mit Liebe und Leid. Hat Platz genommen. Um zu lernen. Und am Ende sich selbst zu schenken. Für uns. Damit unsere Angst schwinde und unsere Tapferkeit wachse. Hier auf Erden und erst recht am Ende der Zeit. Weihnachten – Gott nimmt Platz bei uns Menschen. Auf dem Schoß. Um unseren Geschichten zu lauschen. Und wir dürfen erzählen und teilen. So möge es reichlich werden und sein.

Ihr Pfarrer Stephan Pecusa